Märkische Landsitze des Berliner Bürgertums


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Vom Viehhändler zum Rittergutsbesitzer

Von Hermann Aurich

 

Eine Legende besagt, dass die deutschen Wirtschaftsbosse am ersten Weltkrieg glänzend verdient haben. In Wirklichkeit überwogen mit zunehmender Dauer des Krieges wohl meist die Verluste. Nur wenigen gelang es, ihre Gewinne über Krieg und Nachkriegszeit hinweg noch zu vermehren. Zu ihnen gehörte Carl Eschenbach. Am 3. März 1879 als Sohn eines erfolgreichen Viehhändlers in Elberfeld (heute Wuppertal) geboren, absolvierte er eine Kaufmannslehre im Betrieb eines befreundeten Viehhändlers. Im Alter von 26 Jahren ging er nach Berlin, um dort als Teilhaber in die renommierte Viehhandlung F. W. Zinck & Sohn einzutreten, die ihren Sitz im Zentralvieh- und Schlachthof in der Eldenaer Straße hatte.

Als Mitinhaber dieser florierenden Firma konnte man dort sicherlich gutes Geld verdienen. Der Erwerb eines Rittergutes jedoch hätte unter normalen Umständen weit außerhalb der wirtschaftlichen Reichweite des jungen Mannes gelegen. Im Sommer 1914 war es mit den „normalen Umständen“ vorbei. Der Krieg führte sehr rasch zu einem empfindlichen Mangel sowohl an Futtermitteln als auch an landwirtschaftlichen Arbeitskräften. Infolgedessen ging das Aufkommen an Schlachtvieh zurück. Dessen Preise (und damit die Verdienstmöglichkeiten günstig positionierter Viehhändler) stiegen steil an. Das preußische Landwirtschaftsministerium, dessen Führungsetage stark mit Vertretern des Großgrundbesitzes durchsetzt war, sah dieser Entwicklung lange Zeit tatenlos zu.

Der Höhepunkt des leicht verdienten Geldes war im Jahr 1916 erreicht. Im  richtigen Augenblick trat Carl Eschenbach aus der Firma Zinck & Sohn aus und ließ sich seinen Anteil auszahlen. Zusammen mit bereits zurückgelegten Gewinnen reichte der Betrag aus, um jetzt das Rittergut Altranft kaufen. Dieses war heruntergewirtschaftet und erforderte weitere Mittel. Auch das war für den frisch gebackenen Rittergutsbesitzer kein Problem, denn mit seinem Austritt aus der Firma hatte er sich keineswegs aus dem Viehhandel zurückgezogen. Gemeinsam mit seinem Freund Heinrich Wertheimer war es ihm vielmehr gelungen, als eine Art von Generalauftragnehmer in die Versorgung des Heeres mit Schlachtvieh einzusteigen. Schon 1920 war es Carl Eschenbach dann möglich, eine weitere wertvolle Immobilie, das Haus Kurfürstenstraße 100 in Berlin, zu erwerben. Eine Wohnung im vornehmen Berliner Westen hatte man sich bereits während des Krieges leisten können; und ab 1917 sind beide Freunde in der Kaiserallee (der heutigen Bundesallee) zu finden, Carl Eschenbach in der Nr. 211, sein Freund in der Nr. 206.    

Heute empfängt jeder Besucher des „Brandenburgischen Freilichtmuseums Altranft“ bei Bad Freienwalde einen Eindruck von der großzügigen und repräsentativen Anlage des damaligen Rittergutes. Immerhin hatte es nach dem Erwerb durch Carl Eschenbach noch zehn Jahre einer rastlosen Tätigkeit bedurft, um das gesamte Anwesen in einen Stand zu versetzen, der den Vorstellungen des neuen Gutsherrn entsprach. Erst jetzt, im Jahr 1926, gründete der inzwischen 47-jährige eine Familie, aus der noch eine Tochter und ein Sohn hervorgehen sollten. Erst 1930, im Jahr nach der Geburt seines Sohnes, gab Carl Eschenbach seinen  Wohnsitz in der Kaiserallee auf und beendete damit wohl auch seine aktive Teilnahme am Berliner Viehhandelsgeschäft. Eine Wohnung in Berlin behielt man jedoch noch bis zum Jahr 1938 oder 1939 im Haus Kurfürstenstr. 100, dessen Eigentümer Carl Eschenbach war.

Der Kontakt mit seinem Freund Heinrich Wertheimer blieb bestehen. Nachdem dieser unter dem Druck der NS-Rassenpolitik Deutschland hatte verlassen müssen, benutzte Carl Eschenbach die Gelegenheit einer Amerikareise seiner Frau, um diese bis zum englischen Hafen Southampton zu begleiten. Von dort aus besuchte er Heinrich Wertheimer, der sich in der Grafschaft Yorkshire eine neue Existenz aufgebaut hatte.

Nach seinem Rückzug aus den Berliner Geschäften führte Carl Eschenbach das Leben eines Gutsbesitzers, der sich seiner Familie und der Landwirtschaft widmet. Höhepunkte waren die von ihm veranstalteten Jagden mit Gästen aus der Umgebung und aus der Hauptstadt. Auch die Schwiegereltern aus Berlin hielten sich häufig in Altranft auf und fanden schließlich auf dem Friedhof des Dorfes ihre letzte Ruhe. Die Tochter Carla starb im Januar 1943 im Alter von nicht ganz 15 Jahren an Diphterie. Diesen Schicksalsschlag haben ihre Eltern nie verwunden. Sie selbst nahmen sich am 8. Februar 1945 unter dem Eindruck der näher rückenden Front das Leben.     

 

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letzte Änderung: 18.12.2015