Märkische Landsitze des Berliner Bürgertums


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Hjalmar Schacht - Reichsbankpräsident in ländlicher Idylle

Von Hermann Aurich

 

Im Jahr 1861 begann Theodor Fontane, seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ in Buchform zu veröffentlichen. Der Erfolg dieses Vorhabens sollte zeigen, dass der Journalist und Schriftsteller damit einen Nerv seines Berliner Publikums getroffen hatte. In den beiden vorausgegangenen Jahrzehnten waren von Berlin aus die ersten Eisenbahnlinien entstanden, durch die auch entferntere Teile des märkischen Landes leichter zugänglich wurden. Nun entdeckte das hauptstädtische Großbürgertum seine Vorliebe für die Reize der märkischen Landschaft, und es entstanden zahlreiche Landsitze der Berliner Bankiers, Kaufleute und Fabrikanten, zu denen sich bald auch erfolgreiche Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler gesellen sollten.  

Man schmückte sich nicht nur mit dem Titel eines Rittergutsbesitzers, sondern konnte Freunde und Geschäftspartner auch zur Jagd, zum gemeinsamen Ausritt und zu anderen ländlichen Vergnügungen einladen. Je nach Neigung und Fähigkeiten der Besitzer entwickelten sich hier manche Talente als Park- und Landschaftsgestalter, Architekt, Kunstsammler, Landwirt oder Pferdezüchter.   

Ein solches Anwesen war das Gut Gühlen bei Lindow. Der Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht hatte es im Jahr 1926 erworben und in den folgenden Jahren zu einem repräsentativen Landsitz ausgebaut. Hier fand er Ausgleich und Erholung. In zahlreichen von ihm verfassten Gedichten schilderte er die Schönheiten der Umgebung. Märkische Sagen verarbeitete er zu Balladen. Daneben widmete er sich aber auch der Land- und Forstwirtschaft seines 555 Hektar großen Gutes. Mit Stolz verwies er auf gewonnene Preise und Auszeichnungen.

Nach seinem Rücktritt vom Präsidium der Reichsbank im Jahr 1929 unternahm Schacht Vortragsreisen, unter anderem auch in die USA. Mehr und mehr engagierte er sich in dieser Zeit im Feld der Politik. Dabei förderte er die Kräfte auf der äußersten Rechten, die schließlich die Weimarer Republik zu Fall bringen sollten. Bereits um die Jahreswende 1930/31 stand er im Kontakt mit Göring. Nach Hitlers Machtantritt wurde Schacht erneut Reichsbankpräsident, von 1934 bis 1937 zugleich Wirtschaftsminister. In beiden Funktionen entwickelte er die finanzpolitischen Instrumente der forcierten Aufrüstung. Differenzen mit Göring führten 1939 zu seiner Ablösung. Später nahm Schacht Verbindung zu oppositionellen Kreisen auf und wurde 1944 inhaftiert. Im Nürnberger Prozess als Hauptkriegsverbrecher angeklagt, wurde er freigesprochen.

Das Gut Gühlen blieb bei Kriegsende vor Plünderung und Verwüstung bewahrt. Schacht war auch den Sowjets bestens bekannt, so dass sein Anwesen vermutlich sofort von einer Spezialeinheit besetzt und gesichert wurde. Andere Herrenhäuser waren in dieser Zeit mit Flüchtlingen und Evakuierten bis unter das Dach belegt oder wurden von wechselnden Truppeneinheiten requiriert. Wand- und Deckentäfelung, Möbel und Parkett wanderten in die Öfen oder wurden demoliert.

Nicht so in Gühlen. Das gut erhaltene Objekt diente später als Gästehaus des DDR-Ministerrats. Damit verschwand es für Jahrzehnte aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Erst nach dem Rücktritt Erich Honeckers wurde das Haus für kurze Zeit zum Gegenstand erregter Diskussionen in dem kleinen Städtchen Lindow. Es hieß, das Gut solle dem abgesetzten Generalsekretär als Alterssitz zugewiesen werden. Dazu kam es jedoch nicht. Heute nutzt eine Hotelkette das am Gudelacksee gelegene Anwesen für besondere Anlässe.

     

 

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letzte Änderung: 18.12.2015