Märkische Landsitze des Berliner Bürgertums


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Das „Schäferhaus“ in Ladeburg

Ein Landsitz für Georg Büxenstein

 

Inhalt

1. Büxenstein als Branchenprimus

2. Der Freund des Kaisers

3. Von Hubertushöhe nach Ladeburg

4. „Kolonialpolitisches Schulungshaus“

5. Schwierige Zeiten

 

Büxenstein als Branchenprimus

Schon äußerlich hebt sich das Haus deutlich ab von anderen Gebäuden im Ort. Es ähnelt den Villen, die sich das Berliner Großbürgertum in den Außenbezirken der Hauptstadt oder an landschaftlich bevorzugten Standorten der Umgebung errichten ließ. Aus dem Gebäudekomplex, der im Lauf der Jahrzehnte durch eine Reihe von Anbauten auf seinen heutigen Umfang angewachsen ist, tritt der ursprüngliche Baukörper immer noch klar hervor. Als seine Entstehungszeit müssen die Jahre um 1916 angenommen werden. Das Haus ist offenbar ein Produkt der Reformarchitektur, die sich vor dem ersten Weltkrieg vom Historismus der wilhelminischen Ära abzusetzen begann. In Berlin und Potsdam ist diese moderne Art des Bauens unter anderem mit den Namen Muthesius, Bühring, Mies van der Rohe und Grenander verbunden.

Bauherr des Ladeburger Hauses war sehr wahrscheinlich Georg Büxenstein, ein bedeutender und damals auch sehr bekannter Berliner Druckereiunternehmer. Georg Büxenstein wurde am 13. Dezember 1857 in Berlin geboren. Bereits sein Vater war Buchdrucker und gründete 1852 eine eigene Druckerei, die er in der Folgezeit zu einem der größeren Betriebe dieser Art ausbauen konnte. Wegen einer schweren Erkrankung holte er 1879 seinen damals erst 22jährigen Sohn Georg als Teilhaber in die Firma. Dieser übernahm beim Tode des Vaters 1886 das Unternehmen. Georg Büxenstein, der sich als ausgezeichneter Fachmann, begabter Organisator und energische Führungspersönlichkeit erwies, nutzte das stürmische Wachstum der Branche. Im Jahr 1902, ein halbes Jahrhundert nach der Firmengründung, beschäftigte Büxenstein mehr als 600 Arbeiter und Angestellte. In seiner Druckerei liefen fünf Rotationsmaschinen und 50 Schnellpressen. Technisch führend auf dem Gebiet des Mehrfarbendrucks und der Wiedergabe von Fotos, produzierte die Büxensteinsche Druckerei Bücher, Zeitschriften und Tageszeitungen, die neben dem Text mehr und mehr das Bild, bald auch das aktuelle Foto, als Informationsträger nutzten. Daneben engagierte sich Büxenstein frühzeitig in der Entwicklung, Produktion und Anwendung von Setzmaschinen.

Der geschäftliche Erfolg Büxensteins, vor allem aber seine organisatorischen Fähigkeiten und sein Verhandlungsgeschick trugen ihm bald Aufgaben ein, die über den Rahmen des eigenen Unternehmens hinaus führten. So wurde er zum erfolgreichen Gestalter der Tarif- und Sozialpolitik im Druckgewerbe.

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Der Freund des Kaisers

Ein weiteres Tätigkeitsfeld fand Georg Büxenstein in verschiedenen Sportarten. Dabei galt seine erste und ausdauernde Liebe dem Rudersport. In Grünau, dem alljährlichen Austragungsort der damals bekanntesten Regatta, erinnert noch heute der Name einer Straße an ihn. Auch Segeln und Motorbootsport, Galopp- und Trabrennsport und nicht zuletzt der Automobilsport gehörten zur Palette seiner Aktivitäten. Und fast immer war er auch in den Vorständen und Rennkomitees zu finden, oft an führender Stelle.

So gewann Georg Büxenstein die Aufmerksamkeit des Kaisers, der nicht nur selbst ein Liebhaber, sondern auch – vor dem Hintergrund seiner Flottenbaupolitik – ein engagierter Förderer des Wassersports war. Wilhelm II. und Büxenstein waren fast gleichaltrig. Beide waren technikbegeistert, beide waren Autonarren, beide hatten sich – nach dem Ende der Bismarckära – eine neue Sozialpolitik auf die Fahne geschrieben. So wurde aus Bekanntschaft Freundschaft. Der Kaiser nannte ihn „Büxe“, besuchte ihn auf seinem Landsitz Hubertushöhe zur Jagd, ernannte ihn 1901 zum Kommerzienrat und zehn Jahre später zum Geheimen Kommerzienrat. Alljährlich im Juni besuchte Wilhelm II. die Grünauer Regatta. Vor zehntausenden Zuschauern stieg der Regattaausschuss, an der Spitze Georg Büxenstein, hinauf ans Deck der kaiserlichen Yacht „Alexandra“, begrüßte das kaiserliche Paar, die Prinzen und das Gefolge. Zum zehnjährigen Regierungsjubiläum Wilhelms II. gab Büxenstein einen Prachtband heraus unter dem Titel „Unser Kaiser“.

Die Gunst des Herrschers kam auch dem Geschäft zugute. Es ging um Staatsaufträge. Büxenstein druckte nicht nur das „Programm der Segelregatta auf der Kieler Bucht am 26. Juni 1890“, sondern auch, neben zahllosen anderen Erzeugnissen, die „Anweisung für den Telegraphendienst auf den preußischen Staatsbahnen“. Als im ersten Weltkrieg das deutsche Oberkommando Bekanntmachungen und sogar Geldscheine in russischer Sprache drucken lassen will, brauchte man eine Druckerei, die über einen vielseitigen Vorrat an kyrillischen Lettern verfügte. Fortan arbeiteten bei Büxenstein kriegsgefangene russische Setzer. Im Revolutionsjahr 1917 fanden unter dem Dach des Betriebes deutsche Spartakisten und russische Bolschewiki zusammen. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass ausgerechnet im sozialpolitischen Musterunternehmen eine revolutionäre Keimzelle entstand. In den Januarkämpfen 1919, die um das Zeitungsviertel geführt wurden, wurde auch bei Büxenstein geschossen. Einige Monate später entstand das Büxenstein-Lied, fester Bestandteil in den Liederbüchern der kommunistischen Bewegung.

Georg Büxenstein selbst befand sich in diesen Jahren überwiegend nicht am Schauplatz dieser Geschehnisse. Schon einige Jahre vor dem ersten Weltkrieg hatte er das „Deutsche freiwillige Automobilkorps“ als eine paramilitärische Einrichtung gegründet, als deren Stabschef er 1914, im Range eines Rittmeisters, nach Frankreich ging. 1917 kehrte der fast Sechzigjährige schwer krank nach Berlin zurück. Nach Kriegsende löste er sich bald von seinen geschäftlichen und ehrenamtlichen Aufgaben. Am 1. April 1919 übertrug er die Leitung seines Unternehmens zwei Geschäftsführern, verkaufte es bald darauf sogar. Formell trat er sogar wieder an die Spitze des Unternehmens, das ihm nun nicht mehr gehörte. Das geschah aber wohl nur deshalb, weil die neuen Eigentümer sich den Kredit seines Namens zunutze machen wollten. Am Abend des 12. Juli 1924 starb Georg Büxenstein in Ladeburg. Die Beisetzung auf dem Friedhof der Jerusalemer und Neuen Kirche, in unmittelbarer Nähe des Zeitungsviertels, bescherte ihm, um den es in den letzten Jahren still geworden war, noch mal die Anteilnahme einer breiten Öffentlichkeit.

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Von Hubertushöhe nach Ladeburg

Ladeburg war nicht der erste Landsitz, den Georg Büxenstein sich hatte bauen lassen. Bereits viel früher besaß er eine Villa in Grünau, und in den Jahren 1899/1900 entstand das Jagdschloss Hubertushöhe bei Storkow, ein ganz auf Repräsentation ausgelegter Bau, der in seiner Art typisch war für die wilhelminische Ära. Selbst die vom Kaiser so geliebten nordischen Stilelemente durften nicht fehlen. Für diesen Bau hatte Büxenstein einen landschaftlich besonders reizvollen Standort gefunden, mit schönem Blick über den See. Ein eigener Bahnhof wurde angelegt, auch wenn der Schlossherr selbst meist mit seinem PS-starken Sportautomobil anreiste.

1916 wurde Hubertushöhe verkauft – wegen Krankheit, wie es heißt. Ladeburg tritt an seine Stelle. Dieser Wechsel gibt einige Rätsel auf. Wieso zog der einst begeisterte Wassersportler auf das trockene flache Land? Kein See mit blinkenden Segeln, kaum Wald, rundherum nur Acker. Auch war die Umgebung von Bernau damals für die feine Berliner Gesellschaft, selbst für den soliden Mittelstand, ein Niemandsland. Büxenstein wusste also, dass er dort keine Nachbarn aus seinen Kreisen finden würde. Vielleicht hatte er das so gewollt, die Abgeschiedenheit gesucht. Aber wieso zog er dann mitten in ein Dorf, zwischen krähende Hähne und bellende Hunde, mit allen Geräuschen und Gerüchen ländlicher Arbeit und ländlichen Lebens? Und nicht nur die Wahl des Standortes gibt Rätsel auf. Auch die Architektur des neuen Hauses markiert einen deutlichen Gegensatz zu Hubertushöhe, ja zum Geist und Geschmack der wilhelminischen Epoche überhaupt. Dort, auf Hubertushöhe, war alles auf Repräsentation angelegt, hier versteckt sich schon der Eingang an der Schmalseite des Hauses hinter Tor und Mauer.

Welche Gedanken mögen es gewesen ein, die Büxenstein nach Ladeburg und zum Bau dieses Hauses führten? War es nur die Krankheit, war es das Bewusstsein, dass ein geeigneter Erbe für das Lebenswerk fehlte? War es die Vorahnung der kommenden Niederlage des Reiches mit ihren absehbaren Folgen? War es persönliche Enttäuschung gegenüber dem Kaiser, der sich vielleicht abgewandt hatte wie von so vielen vermeintlichen Freunden vorher?

Wer aber hatte als Architekt das derart veränderte Bewusstsein des Bauherrn in Gestalt umgesetzt? Georg Büxenstein, 1911 in den Beirat des Kunstgewerbemuseums berufen, lernte spätestens dort den geistig führenden Kopf dieses Gremiums kennen, den Architekten Hermann Muthesius. Dessen Handschrift scheint das Ladeburger Haus allerdings nicht zu zeigen. Muthesius hat seine Bauten eher ländlich-lieblich, meist mit sichtbarem Holz, gestaltet. Nur im Inneren des Ladeburger Hauses, in der Gestaltung des Treppenhauses, gewinnt man Eindrücke dieser Art.

Nicht nur gesundheitlich, auch wirtschaftlich muss der einst so erfolgreiche Unternehmer immer mehr unter Druck geraten sein. Noch vor seinem Tode wurde das Ladeburger Haus an eine Firma „Triton GmbH“ verkauft. In seinen letzten Lebensmonaten musste der todkranke Mann nun den Baulärm von Handwerkern ertragen, die das Objekt für die Bedürfnisse der neuen Eigentümer herrichteten. Auf einer Bauzeichnung aus dem Frühjahr 1924, also noch vor Büxensteins Tod, wird die Villa als „Hauptgebäude der Triton GmbH“ bezeichnet. Damals entstand der flach gedeckte Anbau an der Südwestecke des Hauses. Dieser Anbau, mit heute nicht mehr vorhandener Balustrade und anderem historisierendem Zierrat, wurde aufdringlich vor die Front der in schlichten Formen gehaltenen Villa gesetzt und durchbricht den – Zurückhaltung ausdrückenden – Abstand des Hauses von der Straße. Die Triton GmbH befasste sich mit Fischerei und Kleintierzucht. Wieso sie sich dieses Haus (und dazu noch eine Reihe von Baumaßnahmen auf dem Grundstück) leisten konnte, gehört zu den bisher ungelösten Rätseln.

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„Kolonialopolitisches Schulungshaus“

Für die 14 Jahre von 1924 bis 1938 liegt die Geschichte des Hauses noch im Dunkeln. Erst im Oktober 1938 geriet die kurz vorher zu einem Schulungsheim umgebaute ehemalige Büxensteinsche Villa wieder in den Blickpunkt öffentlichen Interesses. In einer Bauzeichnung wird sie noch als „Landhaus Frankenberg“ erwähnt, eine Bezeichnung, die dann aber in den Presseberichten nicht mehr verwendet wurde. Nach vorangegangenem Besitzwechsel war das Haus nun Eigentum des „Reichskolonialbundes“. In Presseberichten wird es als „ein früheres Privathaus“, als „ein größerer Landsitz“ oder als „der frühere Sommersitz des Kommerzienrates Büxenstein aus Berlin“ genannt. Wenn zur damaligen Zeit eine größere Villa aus Privathand in den Besitz des Staates oder einer NS-Organisation gelangte, wobei  der Name des letzten Eigentümers öffentlich nicht erwähnt wurde, so war nicht selten eine so genannte „Arisierung“ der Hintergrund. So könnte es auch hier gewesen sein, muss es aber nicht.

Am 29. Oktober 1938 eröffnete der Reichsstatthalter von Bayern, General Franz Xaver Ritter von Epp, Reichsleiter und Leiter des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP, Bundesführer des Reichskolonialbundes, Landesjägermeister von Bayern, in Ladeburg das „Kolonialpolitische Schulungshaus“. Anwesend waren der Vertreter des Gauleiters der Kurmark, der Gauverbandsliter und der Kreisverbandsführer des Kolonialbundes, der NSDAP-Kreisleiter des Kreises Niederbarnim, der Bürgermeister von Bernau, der Leiter der SS-Reichssschule Bernau sowie ein Major der Bernauer Wehmachtsgarnison. Angetreten waren ein „Ehrensturm“ der SA, der Kriegerverein von Ladeburg, die Feuerwehr und die Hitlerjugend. An bevorzugter Stelle hatten „die Fahnen der Ortsgruppe mit der Ortsgruppenleitung(!) Aufstellung genommen“, wie das Niederbarnimer Kreisblatt berichtete.

Trotz der geradezu mittelalterlichen Fülle der Titel und trotz des aufgewandten Pomps die der Eröffnungszeremonie blieb das Ereignis ohne jede politische Bedeutung . Seit zwanzig Jahren gab es keine deutschen Kolonien mehr, und alles kolonialpolitische Säbelrasseln war nach Hitlers Willen nur als Verhandlungsmasse bei kommenden Auseinandersetzungen mit Großbritannien gedacht. Der Führer wollte die deutschen Kräfte konzentriert auf dem Kontinent für seine Ziele einsetzen und nicht in Übersee verzetteln. Nebenbei diente ihm der kolonialpolitische Zirkus dazu, politisch längst entmachtete Wie Epp vor der Öffentlichkeit weiter zu beschäftigen.

Wer war dieser Ritter von der traurigen Gestalt? 1868 in München als Sohn eines Malers geboren, besuchte er nach der mittleren Reife die Kriegsschule und die Kriegsakademie. Für den Dienst im Generalstab reichten seine Fähigkeiten nicht aus, und so nahm er als Premierleutnant 1900/1901 an der Strafexpedition gegen China teil. Briefe und Tagebuchnotizen aus jener Zeit bezeugen seine Empörung über die „Humanitätsduselei“ von Vorgesetzten. Von 1904 bis 1906 war Epp als Kompaniechef am Vernichtungsfeldzug gegen die Herero in der deutschen Kolonie Südwestafrika beteiligt. Im ersten Weltkrieg kommandierte er das I. Bayerische Leib-Infanterieregiment. Mit dieser Eliteeinheit wurde er an Brennpunkten des Kampfes eingesetzt, erhielt mehrere Orden und wurde 1917 geadelt. Nach der Ausrufung der bayrischen Räterepublik bildete Epp mit der Unterstützung des Reichswehrministeriums das nach ihm benannte Freikorps. Bei der Eroberung der bayrischen Hauptstadt tat sich dieser Verband durch besondere Grausamkeit, unter anderem durch ein Massaker an einer Gruppe katholischer Kolpinggesellen, hervor. Im Jahr 1920 kommandierte Epp eine Division der Reichswehr im Kampf gegen die Rote Ruhrarmee. Alle diese wenig ritterlichen Taten machten Epp bekannt als einen der brutalsten gegenrevolutionären Militärs jener Zeit. Damit stand er in einer Reihe mit anderen ehemaligen Kolonialoffizieren wie Lettow-Vorbeck, Liebert oder Maercker.

Trotzdem kam es 1923 zur Entlassung Epps aus der Reichswehr. Im Jahr zuvor waren Vorwürfe laut geworden, Epp habe den Nazis Gelder der Reichswehr in beträchtlicher Höhe zur Verfügung gestellt, damit diese die Zeitung „Völkischer Beobachter“ kaufen konnten. Weitere Eskapaden Epps am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums machten ihn schließlich in einer Periode relativer Stabilität der Republik für die Reichswehr nicht länger tragbar. Die kolonialpolitische Etappe der Karriere des Ritters begann 1925. Er wurde Präsident des Kolonialkrieger-Bundes. Drei Jahre später zog er als SA-Gruppenführer und Spitzenkandidat der bayrischen NSDAP in den Reichstag ein. Am 9. März 1933, noch vor dem Erlass des nationalsozialistischen Reichsstatthaltergesetzes, jagte Epp die bayrische Regierung davon und machte sich zum Reichskommissar für dieses Land. 1934 geriet er in Gegensatz zu Himmler und damit politisch auf ein Nebengleis. Epp starb am 31. Januar 1946 als US-Internierter in einem Münchener Krankenhaus.

Die Kolonialschule in Ladeburg war nicht die einzige und nicht die erste koloniale Schulungseinrichtung in Deutschland. Bereits 1908 wurde die „Deutsche Kolonial-Schule“ in Witzenhausen an der Werra eröffnet. Diese Einrichtung besteht noch heute; 1953 erhielt sie den Namen „Deutsches Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft“. Eine andere Schulungsstätte hatte nur wenige Jahre Bestand, die Kolonial-Polizeischule in Oranienburg. Sie existierte von 1940 bis 1943. Auch Heer und Kriegsmarine unterhielten zu dieser Zeit Schulungszentren für die Vorbereitung auf koloniale Einsätze. Schließlich gab es noch eine Frauen-Kolonialschule in Rendsburg. Ladeburg war die Aufgabe zugedacht, die „Willensträger“, also die kolonialpolitischen Führungskräfte, heranzubilden.

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Schwierige Zeiten

Für das Haus in Ladeburg blieb die Kolonialschule nur eine kurze Episode. Die mit so großem Zeremoniell eröffnete Einrichtung schloss bereits Ende 1940 ihre Pforten und zog nach Berlin-Grunewald in die Douglasstraße 7 bis 11. Auch dort war ihres Bleibens nicht lange. Nach Stalingrad ließ Hitler alle kolonialpolitischen Aktivitäten auf Eis legen. Das Personal, soweit es nicht die Soldatenuniform anziehen musste, wurde für andere Aufgaben eingesetzt. Um die frei werdenden Objekte begann ein Gerangel zwischen Waffen-SS, Rosenbergs Ost-Ministerium, der Reichsorganisationsleitung der NSDAP und der Kriegsmarine. Im Grunewald behielt die Waffen-SS die Nase vorn.

Was in der Zeit zwischen Januar 1941 und April 1945 im Ladeburger Haus geschah, ist unklar. Nach dem Krieg ist in den kommunalen Akten nur noch die Rede von der „ehemaligen Kolonialschule“. Vielleicht wusste man nicht, was ab 1941 dort untergebracht war, weil es erfolgreich geheim gehalten wurde, vielleicht wollte man es auch nicht mehr wissen.

Als am 21. April 1945 die ersten sowjetischen Truppen Ladeburg besetzten, stand das Haus nicht leer, sondern war bewohnt, unter anderem von Flüchtlingen aus dem seit Ende Januar um kämpften Oderbruch. Das geräumige, günstig gelegene Objekt wurde sofort für militärische Zwecke beschlagnahmt. Alle Bewohner mussten das Haus verlassen. Bald danach zogen die Rotarmisten weiter und überließen das Anwesen einer Einheit der polnischen Armee, die Mitte Juni wieder von einer sowjetischen Einheit abgelöst wurde. Diesmal wurde aber nicht mehr der gesamte Gebäudekomplex benötigt, so dass der Pförtner Ohlendorf  noch im Juni seine Wohnung wieder beziehen konnte. Zwei weitere Räume erhielt die Ladeburger Volkshochschule, die aber bereits zu den Herbstferien das Haus wieder verließ. Am 7. September zogen auch die sowjetischen Militärs ab.

Mit Ausnahme der Pförtnerwohnung stand das Haus im Winter 1945/46 leer. Danach waren Wasserleitungen und Heizungsanlage unbrauchbar. Zunächst gab es niemanden, der die umfangreich notwendigen Instandsetzungsarbeiten hätte ausführen können. Wegen der ungeklärten Perspektive für das Haus fehlte auch die Bereitschaft dazu. Trotzdem begannen im Februar 1946 Bemühungen der Gemeinde, einzelne Räume für die Jugendarbeit, für eine Nähstube und für die örtlichen Parteien zu nutzen. Im Ganzen blieb die Bausubstanz weiter ihrem Schicksal überlassen.

Inzwischen hatten sich acht Familien in die Bewirtschaftung des großen Gartens geteilt. Als Nutzer sind neben Frau Ohlendorf, die im Haus wohnt, noch sieben weitere Frauen aus der Nachbarschaft aufgelistet. Ob es sich dabei um ehemalige Hausbewohner handelte, die im April 1945 ausziehen mussten, ist nicht klar. Das von ihnen angebaute Gemüse durften die Nutzer für sich selbst verwenden, nicht aber das Obst, das – einschließlich Fallobst – an die Gemeinde abgeliefert werden musste. Nur der Ertrag der Erdbeerbeete von Frau Ohlendorf und Frau Harder blieb von der Ablieferungspflicht verschont.

Bis zum Frühsommer 1947 änderte sich wenig. Inzwischen hatte die Gemeinde einen neuen Hausmeister, Herrn Lindner, eingesetzt, dem auch die Hausmeisterwohnung zugewiesen wurde. In das Haus war der Gemeindekindergarten eingezogen, der nun auch einen Teil des Gartens bestellte. Endlich, im Juni 1947 hatten die Mühlen der Landesbürokratie eine Entscheidung über die künftige Nutzung hervorgebracht. Die Provinzialbank durfte in dem Objekt ein Schulungs- und Erholungsheim einrichten. Der Kindergarten musste das Haus räumen, was offenbar nicht problemlos geschah. Noch größeren Widerstand löste die geforderte Herausgabe des Gartens aus. Erst nach längerem Hin und Her wurde dem Kindergarten die Hälfte der Obsternte des laufenden Jahres überlassen.

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letzte Änderung: 18.12.2015