Märkische Landsitze des Berliner Bürgertums


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Friedrich Wilhelm Schütt und die alte Neumühle

Von Hermann Aurich

 

„Schuster, bleib bei deinem Leisten“ fordert ein Sprichwort, das zu Recht aus der Mode gekommen ist, weil es Chancen verstellt, die sich rechts und links eines ausgetretenen Pfades ergeben können. Einer, der das schon früh beherzigte, war Friedrich Wilhelm Schütt. Kaum hatte er 1857 von seinen Eltern die kleine Bäckerei in der Berliner Kronenstraße 37 übernommen, als der 26-jährige auch schon die Bäckermütze wieder an den Nagel hängte und zum Kaufmann wurde. Er zog ein paar Häuser weiter in die Kronenstraße 42 und trat als Juniorpartner in das „Produkten- und Commissionsgeschäft G. A. Gumprecht Nachf.“ in der Burgstraße 25 ein. Bereits zwei Jahre später war er Geschäftsinhaber und führte die Firma bald auch unter seinem eigenen Namen als „Getreide-, Mehl- und Producten-Commissionsgeschäft“, nunmehr in der Friedrichstraße 104. Einige weitere Jahre vergingen, bis es Friedrich Wilhelm Schütt nicht mehr genügte, den Mühlen Getreide zu verkaufen und ihnen das Mehl dann wieder abzukaufen. Und so finden wir den umtriebigen Unternehmer ab 1875 selbst als Besitzer einer „Dampfmahlmühle“ wieder.

Damit war nun endlich richtiges Geld zu verdienen, und „F. W. Schütt“ stieg bald in die erste Liga der Berliner Mühlenunternehmer auf. 1883 konnte er den Grundstein für den Bau einer Großmühle in der Moabiter Stromstraße legen. 1897 erwarb der inzwischen mit dem Titel eines Kommerzienrats geschmückte Friedrich Wilhelm Schütt das Anwesen Neumühle bei Alt-Ruppin von dem Unternehmer Gustav Ebell als Alterssitz. Dort befand sich seit dem Mittelalter eine Wassermühle, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Anlage von beträchtlicher Größe ausgebaut worden war. Neben dem eigentlichen Mühlengebäude standen dort noch mehrere Lagerhäuser sowie ein stattliches Wohnhaus. Einige Hektar Wald rundeten den Grundbesitz ab.

Unter welchen sozialen Begleitumständen F. W. Schütt zu Reichtum gekommen war, belegt folgende Nachricht: „In Berlin hatten von den großen Dampfmühlen die Berliner Brotfabrik und die Schüttsche Dampfmühle im Mai 1890 die Sonntagsarbeit eingestellt. Außerdem betrug hier die Arbeitszeit meist nur noch 12 Stunden.“  

Im Februar 1901 starb Friedrich Wilhelm Schütt. Er hinterließ die 1878 geborenen Zwillinge Martha und Konrad. Noch im gleichen Jahr heiratete Martha Schütt den Literaturkritiker und Lyriker Paul Remer aus Waren (Müritz). Im Januar 1905 erfuhr die Öffentlichkeit durch die „Märkische Zeitung“, dass Konrad Schütt das Wohnhaus in Neumühle für sich ausbauen lassen würde, während für das Ehepaar Remer der Bau einer Villa am Molchowsee vorgesehen sei. 

Das Haus für Martha und Paul Remer wurde 1907 fertiggestellt und lag etwa 800 m nördlich der Mühle. Es war ein Werk der finnischen Architekten Eliel Saarinen und Herman Gesellius. Dieses Gebäude, eine Ikone der zeitgenössischen Architektur, wurde leider nach dem zweiten Weltkrieg dem Verfall preisgegeben und schließlich abgerissen.

1905 war das hölzerne Wohngebäude von Neumühle durch einen Brand schwer beschädigt worden, so dass auch Konrad Schütt vor der Aufgabe stand, einen Neubau errichten zu lassen. Dieser entstand auf den Grundmauern des alten Wohnhauses. Sein Architekt war der Berliner Fritz Helmuth Ehmcke, der auch die Inneneinrichtung entwarf. Während das eigentliche Mühlengebäude im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, blieb das Wohngebäude erhalten, ebenso ein aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammender, in seiner Art recht beeindruckendes Speicherhaus.

Die wirtschaftliche Basis für alle Vorhaben der Zwillingsgeschwister in Neumühle bildete nach wie vor das in Berlin arbeitende Familienunternehmen. Dieses geriet jedoch nach dem ersten Weltkrieg in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde 1922 an den Mühlenunternehmer Kampffmeyer verkauft. Am traditionellen Standort Moabit wurde 1986 die Produktion eingestellt. Seitdem erinnert am neuen Standort in Spandau der weithin lesbare Schriftzug „Schütt Mühle“ bis heute an den Industriepionier Friedrich Wilhelm Schütt. 

 

  

 

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letzte Änderung: 18.12.2015